Artikelverzeichnis:
Solothurner Zeitung 14. Januar 2008
Die Magie der Pauline Zum Artikelverzeichnis
Cornelia Montani glänzte auf der Kreuz-Bühne als Pauline: Eine starke Persönlichkeit meistert ihr hartes Schicksal.
Pauline spielte, erzählte und sang ihr Leben und Schicksal mit einer Intensität und Präsenz, welche das Publikum von Anfang an ergriff und betroffen machte. Selten ist es geworden, dass auf einer Kleinbühne Poesie entsteht. Cornelia Montani gelang dies mit zarter Leichtigkeit.
Dichtgewobene Fantasie für einmal von oben betrachtet: Das Publikum nahm auf der Tribüne Platz, die Schauspielerin Cornelia Montani trat auf dem blossen Boden in Aktion. Das minimale Bühnenbild aus schwarzer Stofffläche, würfelförmigem Metallrahmen und Holzstuhl fokussierte optimal auf die Darstellerin. Diese schlug mit einer betörenden Präsenz die Zuschauerinnen und Zuhörer von Beginn weg in Bann. Mit ihrer warmen und tragenden Stimme und dem natürlichen und feinen Spiel schuf Pauline eine authentische und persönliche Atmosphäre. Darin eingehüllt enthüllt sie sachte ihr Leben und Los. Meist ist sie sich selber, schlüpft aber gelegentlich in die Rollen der wenigen Menschen, mit denen sie es in ihrem Leben zu tun bekommt. Da gibt es einen einsilbigen Vater und eine allmählich verstummte Mutter, eine kleine geliebte Schwester, die, weil behindert, in ein Heim gesteckt wird. Eine geliebte Grossmutter und eine unerfüllte Liebschaft leben in der Fantasie Paulines weiter und nehmen manchmal wieder Gestalt an.
Kombination von Stilen
Das subtile Licht der Scheinwerfer zeigt einen blossen Menschen in seiner Grösse und in seiner Not. Allein mit Mimik, Gestik und ihrer Geschichte breitet Pauline ihre ergreifende Lebensgeschichte aus. Mittels unterschiedlicher Stimmen und verschiedener Sprachen präsentiert die Schauspielerin ein Puzzle, aus dem sich nach und nach Paulines Vita zusammensetzt. Die Geschichte hält sich nicht an eine Chronologie, sondern wird fragmentarisch in vielen Episoden erzählt, wobei sich Pauline dramaturgisch geschickt eingesetzter Rückblenden bedient. Wirklichkeit und Fantasie wechseln so gut wie Musik und Spiel. Ihr Akkordeon verwendet sie musikalisch-musikantisch, die Stimmung geht von temperamentvoll bis melancholisch.
Das fulminante Kombinieren von erzählen, schauspielern und musizieren lässt beim Publikum Bilder im Kopf entstehen, die sich zu einem Film zusammensetzen. Pauline alias Cornelia Montani schafft es, eine diffizile Lebensgeschichte mit vielen Höhen und Tiefen auf eine überzeugende Weise aufzulösen. Grosse Menschlichkeit, Empathie und die Welt der kindlichen Magie berührten und beeindruckten das Publikum.
JÜRG KÜBLI
Der Landbote Dienstag, 3. April 2007
Pauline sammelt Schmetterlinge im Bauch Zum Artikelverzeichnis
Mit der Sprache und dem Akkordeon erzählt Cornelia Montani das triste Leben der glücklichen Pauline.
BRÜTTEN - Schon bald vergisst das Publikum, dass hier Cornelia Montani in einer abendfüllenden Erzählung einen Roman mittlerer Buchdicke, auswendig erzählt. Nein, sie erzählt sie nicht; sie durchlebt sie. Mal versetzt sie sich in die Traumwelt von Pauline, mal fasst sie das Geschehene - nüchtern wie ein Polizeirapport - zusammen. Pauline, die ihren Namen vom Vater erhält, weil dieser sich einen Paul gewünscht hatte, entspricht auch sonst nicht den Erwartungen ihrer abgestumpften Eltern. So werden am wachsenden Pflänzchen beharrlich alle zart spriessenden Zweiglein abgeschnitten. Die Eltern entreissen Pauline alles, was die Seele zum Gedeihen braucht: die Zuneigung der kleinen Schwester, das gütige Verständnis der Grossmutter und ihre ersten grosse Liebe.
Als ob sie ihr Schicksal. geahnt hätte, beginnt sie Schmetterlinge zu sammeln - Schmetterlinge im Bauch. Sie arrangiert Begebenheiten, die dieses seltsame Kribbeln im Bauch erzeugen. Zumeist begibt sie sich freiwillig in peinliche, beschämende Situationen: Sie bettelt einem Fremden seine Wurst ab oder gafft schamlos durch die Fenster des Wagenabteils eines Zugs. Über diese sogenannten Mutproben und das damit erzeugte Körpergefühl führt sie peinlichst Buch. Die Seele wächst nach innen; Pauline ist allen Widerwärtigkeiten zum Trotz, glücklich bis ins hohe Alter.
Dieses Märchen einer anscheinend glücklichen Frau befremdet zu keinem Zeitpunkt des Erzählablaufs. Wo Montani das Mädchen spielt, sind Mimik, Gestik und Tanz glaubhaft. Wo sie aus Distanz erzählt, schwingt immer der vorwurfsvolle Unterton mit: «Was solls? - Es ist Paulines Leben; ihr (die Zuhörer) müsst mit diesem Leben nicht glücklich werden.» Und irgendwann wächst im Verlaufe der Erzählung ein Einverständnis zwischen Erzählerin und Publikum heran: Dieses vermeintlich triste Leben ist lebenswert.
Vom Wesen der Sprache
Die Geschichte, die durch Vor- und Rückblenden immer im gleichen Zeitpunkt verharrt, erhält damit eine innere Entwicklung - genau wie Paulines Leben. Zur nachvollziehbaren Glaubhaftigkeit tragen nicht zuletzt die unverkennbaren Texte und Vertonungen von Res Wepfer («Pfannestiil Chammersexdeet») bei. Wepfer ist ein Dialektkünstler. Er kann in einem schweizerdeutschen Ausdruck oder einer Redewendung verharren, ihn drehen und wenden; nicht als sprachliche Spielerei, sondern mit dem Ziel, auf den Kern der Bedeutung oder aber auch zur Erkenntnis vorzustossen, die dem Ausgangsobjekt fremd sind. Diese Lieder sind auch Pauline. Wenn die Schmetterlinge schon nicht durch Liebe zum Flattern gebracht werden können, so müssen sie durch andere Ereignisse aufgescheucht werden.
BERNHARD STRÄSSLE
Neue Luzerner Zeitung 12. Januar 2007
Das Glück liegt in der Fantasie Zum Artikelverzeichnis
Pauline erzählt ihr Leben - von der Kindheit, als sie noch Paula hiess, bis ins Alter, wo sie im Quartier als das Fräulein mit den roten Schuhen bekannt ist. Allerdings erzählt Pauline nicht alleine. Auf der Bühne des Luzerner Kleintheaters kommen auch ihre Eltern, Schwester und Grossmutter zu Wort. Eine Erzählerin sorgt für den roten Faden im Fluss der Geschichte.
Vielseitige Schauspielerin
Alle Figuren werden von Cornelia Montani gespielt. Die vielseitige Schauspielerin schlüpft ohne Tenüwechsel von einer Rolle in die andere. Sie spielt den autoritären Vater am Steuer, die schimpfende Mutter, die zurückgebliebene, kleine Schwester; aber auch den genervten sizilianischen Bocciaspieler oder die Walliser Grossmutter, die sich noch aus dem Himmel vernehmen lässt. Dazu singt und tanzt Cornelia Montani und begleitet sich, selbst auf der Handorgel.
«Pauline» ist das erste Soloprogramm der Schauspielerin, die früher im Tandem Tinta Blu auftrat. Sie schrieb den Text und die Musik zu diesem Einfraustück, das die Luzerner Regisseurin Annette Windlin klar und aufs Wesentliche konzentriert in Szene setzte.
Keine heitere Geschichte
Die Geschichte von Pauline ist keine heitere. Vom realen Leben mit Verlust, enttäuschter Liebe, elterlichem Unverständnis und Trennung gebeutelt, verstummt das Kind und flüchtet sich in eine Fantasiewelt, in der sie Trost und Glück findet. Eine Welt, in der kindliche Magie und hoffendes Staunen bis ins hohe Alter erhalten bleiben. «Pauline» bietet kein Spektakel, dafür viel Herz und Schmerz, mit ergreifenden Liedern, poetischem Text und mal übermütiger, mal misstöniger Musik. Cornelia Montani interpretiert ihre Rollen authentisch und mit viel Gefühl, verfällt nicht in romantisierenden Kitsch. Poesie, Magie und träumerische Fantasie prägen ihr Spiel und das gesamte Stück.
KURT BECK
Aargauer Zeitung 24. Oktober 2006
«Schmetterlinge im Bauch» sammeln Zum Artikelverzeichnis
Cornelia Montani berührt das Publikum im ThiK in Baden mit der Geschichte von Pauline. Sie erzählt von einem Mädchen, das Grenzen überschreitet.
Pauline trägt rote Schuhe. Sie hat zwei falsche Cousinen und sammelt Schmetterlinge, aber nicht so, wie man denkt: Pauline sucht Erlebnisse, bei denen sie ein Kribbeln fühlt. «Schmetterlinge im Bauch», nennt sie das. «Schmetterlinge» sind zum Beispiel ihre erste Liebe, ein schüchterner Sizilianer, aber auch Missgeschicke, ein Tritt in einen Hundedreck. Pauline sammelt alle Schmetterlinge, nicht nur die schönen.
Cornelia Montani hat die Figur der «Pauline» erfunden und erzählt ihre Geschichte nun im ThiK (Theater im Kornhaus) in Baden. Mit nur zwei Requisiten, einem Holzstuhl sowie ihrem Akkordeon, und in einem minimalen Bühnenbild spielt sie Paulines Lebensgeschichte. Mit einer unglaublich facettenreichen und kraftvollen Stimme singt sie die zusammen mit Res Wepfer geschriebenen Lieder. Erzählt, wie Paulines kleine Schwester von den Eltern in ein Heim abgeschoben wird und Pauline sie so sehr vermisst, dass sie sie in ihrer Welt immer dabei hat. Man erfährt, dass andere Kinder sie auslachen, weil sie laut mit jemandem spricht, der gar nicht da ist. Montani spielt Pauline, wie sie in den Ferien per Autostopp nach Sizilien fährt, ganz allein, und dort den schüchternen Sizilianer kennen lernt. Und vor allem, wie sie aus den Grenzen, die ihr die strengen Eltern setzen, heraustritt. Ein bisschen erinnert das Mädchen mit seiner Fantasie und seiner eigenen, besonderen kleinen Welt an Amelie aus dem französischen Kinofilm. Doch wird Pauline feiner, vielseitiger und authentischer dargestellt.
DIE GESCHICHTE VON PAULA, wie die Titelfigur eigentlich heisst, wird nicht chronologisch erzählt, stellenweise muss man sich als Zuschauer plötzlich neu zurechtfinden. Vieles bleibt geheimnisvoll und ungelöst. Doch Montani spielt die verschiedenen Rollen so glaubwürdig, dass man sich in sie hineinversetzen kann und mitlebt. Mit ihrer enormen Bühnenpräsenz und dem energiegeladenen Spiel begeisterte sie am Freitag das Premierenpublikum von der ersten bis zur letzten Minute. Zuerst geriet man ins Staunen, dann ins Lachen, etwa wenn Montani sich als Bocciaspieler in temperamentvollen italienischen Wortschwällen ergiesst. Und wie wohl jede Kindheit ist auch die von Pauline manchmal traurig. Wo sonst aber die Emotionen und Gedanken von Kindern in Film, Theater und Literatur oft aufgesetzt wirken, überzeugt «Pauline» völlig. Die Geschichte berührt.
EVELYNE BAUMBERGER