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Basellandschaftliche Zeitung Montag, 22. Sept. 2008
Fernweh und Heimweh Zum Artikelverzeichnis
Theater im Teufelhof: Cornelia Montani besucht Basel mit ihrem neuen Stück «New York einfach».
Ein Wohlfühlabend ohne Klamauk, Kitsch und Blendwerk. Cornelia Montani, die in der vergangenen Spielzeit mit ihrem Musiktheater «Pauline» das Publikum begeistert hatte, trat wiederum im «Theater im Teufelhof» auf, zusammen mit dem Klarinettisten Daniel Schneider.
Die neue poetisch-musikalische Geschichte mit dem Titel «New York einfach» war in ihrer Ausgestaltung durchströmt von jener Heiterkeit des Herzens, die das Publikum auf anrührende Art und Weise zu erwärmen vermochte.
Montanis musikalische, sprachliche und darstellerische Qualitäten in ihrer Kompaktheit und ihrem Facettenreichtum wurden getragen von viel Charme und einer erfrischenden Natürlichkeit. Von somnambuler (oder traumwandlerischer) Selbstverständlichkeit das Zusammenspiel mit dem Klarinettisten Daniel Schneider, der kontrapunktisch und atmosphärisch wichtige Akzente setzte.

DREI PERSONEN, eine Frau und zwei Männer, sind im Zentrum des Geschehens in diesem Erzähltheaterkonzert. Da ist die Handharmonika spielende Marie aus einem Schweizer Bergtal. Sie leidet an Liebeskummer und gibt ihrem Freund den Laufpass.
Angelo, der Gitarre spielt und gut singen kann, lebt in einem süditalienischen Dorf und möchte nie so werden wie sein Vater. Joschka schliesslich, der Klarinettist aus einer jüdischen Familie in einer amerikanischen Kleinstadt, ihm verbietet der Vater, öffentlich mit der Lieblingsschwester zusammen zu musizieren.
Alle drei sind vom selben Wunsch beseelt: weg von zu Hause – ab nach New York. Doch dort erfüllt sich bei niemandem der Wunsch und die Hoffnung, musikalisch Erfolg zu haben und Karriere zu machen.
Sie treffen sich schliesslich wieder in einem Restaurant, wo sie niedere Arbeit verrichten. In der Freizeit spielen sie in Kellern und bei Anlässen Musik, Jazz Blues, Dixie und so weiter.
In einer langen Nacht, bis in den frühen Morgen hinein, erzählen sie sich ihr Leben, ihre Träume und Erwartungen. Das Ende, wie könnte es anders sein: Rückkehr in die Heimat, dorthin, wo man herkommt.

EINZIGARTIG und packend die Form der Wiedergabe: Cornelia Montani erzählt, dazu Akkordeon spielend, bricht ab, um mit dem Klarinettisten Musik pur zu machen. Dann fährt sie weiter, singend oder in einem besonderen Sprechton, schildert und charakterisiert, gespickt mit Einsichten, Weisheiten und emotionalen Ausbrüchen – Bilder, Farben und Inhalte eines Tableaus, das nicht zur Ruhe kommt, weil alles nebeneinander-, übereinander- und ineinanderfliessend daherkommt, prall in seiner aussagekräftigen Menschlichkeit und Wahrhaftigkeit.
PAUL SCHORNO
Solothurner Zeitung Montag, 1. Sept. 2008
Genussvolle Reisen im Kopf und mit dem Herzen Zum Artikelverzeichnis
Mit einem komödiantischen Erzähl- und Musiktheater namens «New York einfach» lieferten die Winterthurer Künstler Cornelia Montani und Daniel Schneider einen fulminanten Saisonauftakt beim Kulturverein Deitingen.
Cornelia Montani, noch vor kurzem mit ihrem poetisch-melancholischen Stück «Pauline» auf Tournee und in bester Erinnerung, imaginiert diesmal eine Geschichte von menschlicher Sehnsucht, von Fernweh und Heimweh und von drei unterschiedlichen Schicksalen. Mit mimischen, erzählerischen und musikalischen Mitteln gelingt es ihr und ihrem Partner Daniel Schneider, das Publikum innert kürzester Zeit hautnah in die Geschichten der drei Hauptpersonen Marie, Angelo und Joschka zu integrieren. Marie, Ziegenhirtin zuhinterst in einem Walliser Bergtal, gefühlvolle Handorgelspielerin mit Liebeskummer, verlässt ihre enge Heimat. In der süditalienischen Provinz will unterdessen der Sänger und Gitarrenspieler Angelo nicht so werden wie sein Vater, dem er zusehends mehr gleicht. Er beschliesst, sich auf die Reise über den grossen Teich zu wagen.
Drei Personen treffen sich
Joschka schliesslich, Klarinettist in einer Klezmercombo in Oklahoma, hat ebenfalls gute Gründe, die Provinz in Richtung New York zu verlassen. Die drei treffen sich unter der Skyline Manhattans, werden Freunde und verbringen die Freizeit musizierend gemeinsam. In drei Variationen zeigen nun die beiden Bühnenkünstler mögliche Fortsetzungen der Geschichte auf. Version eins ist zu kurz und führt in ein unglaubwürdiges Happy End: Marie, Angelo und Joschka schaffen es dank Einsatz, sich im Melting Pot durchzusetzen.
Imagination und Musikalität
Auch Version zwei gerät zu kurz, wenn auch die Handlung glaubwürdiger wirkt: Die drei Hauptpersonen halten sich knapp über Wasser. Die gültige Version ist erst die dritte. Hier gelingt es der einnehmenden Ausstrahlungskraft Montanis, gepaart mit dem stupenden musikalischen Könnens Schneiders, die Zuschauer natürlich, subtil und sehr nah an die seelischen Vorgänge des New Yorker Trios heranzuführen. Dieses macht einen Reifeprozess durch und mit zunehmendem Heimweh entschliessen sich die drei, in ihre ursprünglichen Dörfer heimzukehren. Die zwingende Mimik, Gestik, Sprache und die verschiedenen Sprachen von Cornelia Montani ermöglichen es den Anwesenden, unmittelbar am erzählten und gespielten Geschehen Anteil zu haben. Die musikalischen Leistungen auf dem Akkordeon und der klare wunderbare Ton des Klarinetts waren ein Genuss.
JÜRG KÜBLI
Der Landbote Montag, 28. April 2008
Der Traum vom grossen Glück in New York Zum Artikelverzeichnis
Cornelia Montani und Daniel Schneider erzählten eine Geschichte von Fern- und Heimweh und vom Traum des grossen Glücks in New York. Dabei verwob das Duo Schweizer Volkslieder, italienische Canzoni, jiddischen Klezmer und Jazz.
Was ergibt die Summe aus Schweizer Volksliedern, italienischen Canzoni und jiddischem Klezmer? Die Antwort lautet etwas überraschend, aber dennoch einleuchtend: Jazz. Es ist der hippe Grossstadtsound der 50er-Jahre, der von New York aus in die grosse weite Welt hinausstrahlte und sogar Randregionen wie das Wallis, den italienischen Stiefel oder das abgelegene Oklahoma erfasste. Dort träumten in der "guten alten Zeit", wie es Erzählerin Cornelia Montani ausdrückte, drei junge Menschen vom grossen Glück und vom Zauber des Jazz.
Ausbruch aus der Heimat
Die unglücklich verliebte Marie aus dem Oberwallis, die tagein, tagaus Ziegen hütet, den Stall ausmistet und Käse herstellt, will ebenso aus ihrer Heimat ausbrechen wie der Süditaliener Angelo, der unter der Knute des Vaters steht und nur heimlich singen darf. Da wäre auch noch der begabte Klarinettist Joschka aus Oklahoma, Spross einer jüdischen Familie und Mitglied einer Klezmerband, die an jeder Hochzeit im Umkreis von 500 Meilen auftritt. Er kommt nicht darüber hinweg, dass seine Schwester nicht mitspielen darf, weil es um die Bewahrung der Tradition geht. Auch er bricht, wie seine anfangs noch unbekannten Zeitgenossen Angelo und Marie, auf, um in New York Karriere zu machen. Klezmer will er nie mehr spielen, viel lieber schon rebellischen Jazz; er hätte wie das Schweizer Bergbauernmädchen nichts dagegen, eines Tages im Radio gespielt zu werden.
Wir sind mitten in der Geschichte von "New York einfach", einem komödiantischen Erzählkonzert, das am Freitag im Loft in Kollbrunn aufgeführt wurde. Der grosszügige und liebevoll eingerichtete Raum einer ehemaligen Fabrik, idyllisch zwischen der Töss und dem Kanal an der Hauptstrasse gelegen, erwies sich als ideale Stätte für dieses bewusst reduziert gehaltene Zweipersonenstück aus der Feder von Joe S. Fenner. Zwei Würfel - gelb und grün - bildeten die einzige Dekoration. Sie wurden gleichzeitig als Sitzgelegenheit und als Perkussionsinstrument benutzt. Das gab dem Publikum viel Platz, um die eigene Fantasie zu entfalten, während die Erzählerin, Sängerin und Akkordeonistin Cornelia Montani und Daniel Schneider an der Klarinette und am Saxofon quasi den Soundtrack zum Erzählstrang lieferten. Das Vreneli vom Guggisberg, dicht gefolgt vom uralten und immer wieder gern gehörten Volkslied "Stets in Truure", untermalte Maries Schicksal ebenso mustergültig wie in schwerem neapolitanischem vorgetragene Canzoni, die Angelos Werdegang zeigten. Handorgel und Klarinette spielten wunderbare Klezmermelodien, die perfekt zu Joschkas musikalischer Vergangenheit im ländlichen Oklahoma passten.
Happy End in Raten
Jazzige Ausflüge kamen in Manhattan dazu, als sich das junge Trio bei einem schlecht bezahlten Job in einem Restaurant fand, weil sich der Traum vom grossen Glück nicht ganz so geradlinig erfüllte, wie Montani dem Publikum zuerst weismachen wollte. Das Happy End musste quasi in Raten angekündigt werden, sonst wäre das Stück kurz nach der Pause schon zu Ende gewesen. "Därfs es bitzeli meh si?", fragte die in Winterthur lebende Erzählperson schnippisch. Es musste und durfte, und so fanden die drei Helden als Trio Polenta doch zum etwas realistischeren Erfolg in der Stadt, die nie stillsteht und wo das Glück selten auf dem Silbertablett serviert wird.
"New York einfach" erwies sich als musikalisch sehr vielseitige Angelegenheit voller Poesie und einer geschickt inszenierten Dramaturgie, bei der sich Worte und Töne bestens aufeinander abstimmten und ineinander verwoben. Das war grosse Kleinkunst in Reinkultur, die ein grösseres Publikum verdient hätte.
ROLF WYSS
Aargauer Zeitung Freitag, 1. Februar 2008
Die Kunst des Märchenerzählens Zum Artikelverzeichnis
Uraufführung im ThiK in Baden:
Cornelia Montani und Daniel Schneider spielen «New York einfach».
Marie melkt Ziegen in einem Walliser Bergtal und spielt nach Feierabend Handorgel. Sie hat Liebeskummer und möchte deshalb weg von zu Hause. Dasselbe will auch Angelo. Der Süditaliener will sich nicht mehr anhören müssen, dass er seinem Vater von Tag zu Tag mehr ähnlich sieht. Er packt seine Gitarre und geht. Joshka lebt in einem Provinznest in Oklahoma und spielt Klarinette in einer Klezmerband. Am liebsten spielt er aber mit seiner Schwester. Klammheimlich, denn Musizieren ist Männersache.
MARIE, ANGELO UND JOSHKA hauen ab: Es zieht sie dorthin, wo die Dollarnoten nur so herumfliegen und sich selbst die wildesten Träume wie von selbst erfüllen. «New York einfach» heisst ihre Losung, denn an ein Zurückkommen denken Marie, Angelo und Joshka nicht einmal im Traum. Doch kaum in New York gelandet, bekommen die drei Ausreisser unverzüglich die knallharte Realität zu spüren. Sie begegnen sich als Tellerwäscher in einem italienischen Restaurant, beginnen miteinander zu musizieren - eine Karriere scheint sich anzubahnen. Aber das Trio wird von Heimweh geplagt. Was nun?
Das ultimative Happy End liefern Cornelia Montani und Daniel Schneider dem Publikum nicht, was zum Charakter ihrer skizzenhaften Produktion (Regie: Joe S. Fenner) passt. Cornelia Montani und Daniel Schneider gehen in ihrem «Erzähltheater mit Musik» nämlich ganz assoziativ vor. Zwei Hocker dienen als Requisiten, die einerseits verschiedene Schauplätze, anderseits Rhythmusinstrumente sein können. Mehr brauchen die Erzählerin und Handorgelspielerin Cornelia Montani sowie der Klarinetten- und Saxofonspieler Daniel Schneider nicht, um ein New York zu beschwören, wie es zigfach in der Literatur und im Film Eingang gefunden hat, als Ort der Verlockungen und Verheissungen.
Cornelia Montani und Daniel Schneider betrachten «ihr» New York allerdings nicht mit dem Röntgenblick, sondern dem Weichzeichner. Nicht das soziale Gefälle oder die bitteren Lebensumstände interessieren sie, sondern ausschliesslich die Träume dreier junger Menschen unterschiedlichster Herkunft. Das Märchenhafte feiert Triumphe. Wort und Musik durchdringen sich dabei so sehr, dass sich das Publikum sowohl für das «Erzähltheater mit Musik» wie für das «Konzert mit Erzählungen» erwärmt. Cornelia Montani erzählt und musiziert; Daniel Schneider musiziert nur. Nur? Eine Untertreibung. Selbst wenn Schneider nicht ein Wort spricht, ist er keineswegs ein stummer sondern sogar ein äusserst beredter Partner. Er reagiert nicht nur auf das Gesprochene, sondern agiert auch. Etwa, indem er eine Melodie aufblühen lässt - bis zu jenem Punkt, wo sie Montani mit Worten fortsetzt. Der Text fallt so der Musik ins Wort und umgekehrt. Dieses unentwegte Geben und Nehmen funktioniert prächtig bei einem Duo, das sich offensichtlich blendend versteht. Cornelia Montani gibt den extrovertierten, Daniel Schneider den introvertierten Part. Sie variiert sprachlich und gestisch ungemein stark; er nuanciert etwa mit einer winzigen Drehung seines Körpers oder einem raschen, zustimmenden Blick.
DIESES UNANGESTRENGTE, spielerische Einverständnis macht dem Publikum das Mitgehen leicht. Es fühlt sich von Montani/Schneider gleichsam bei der Hand genommen und in Märchenwelten entführt, in der auch nationale, ironisierte Klischees ihren Platz haben: Marie stellt Geissenkäse her und jodelt; Angelo liebt Pasta und spielt Gitarre. Es sind gerade diese Details, die «New York einfach» zu einer Petitesse adeln, die für die Kunst des Märchenerzählens steht.
ELISABETH FELLER