Theater im Teufelhof: Cornelia Montani besucht Basel mit
ihrem neuen Stück «New York einfach».
Ein Wohlfühlabend ohne Klamauk, Kitsch und Blendwerk. Cornelia Montani, die in
der vergangenen Spielzeit mit ihrem Musiktheater «Pauline» das Publikum
begeistert hatte, trat wiederum im «Theater im Teufelhof» auf, zusammen
mit dem Klarinettisten Daniel Schneider.
Die neue poetisch-musikalische Geschichte mit dem Titel «New York einfach»
war in ihrer Ausgestaltung durchströmt von jener Heiterkeit des Herzens, die das
Publikum auf anrührende Art und Weise zu erwärmen vermochte.
Montanis musikalische, sprachliche und darstellerische Qualitäten in ihrer
Kompaktheit und ihrem Facettenreichtum wurden getragen von viel Charme und einer
erfrischenden Natürlichkeit. Von somnambuler (oder traumwandlerischer)
Selbstverständlichkeit das Zusammenspiel mit dem Klarinettisten Daniel Schneider,
der kontrapunktisch und atmosphärisch wichtige Akzente setzte.
DREI PERSONEN, eine Frau und zwei
Männer, sind im Zentrum des Geschehens in diesem Erzähltheaterkonzert.
Da ist die Handharmonika spielende Marie aus einem Schweizer Bergtal. Sie leidet an
Liebeskummer und gibt ihrem Freund den Laufpass.
Angelo, der Gitarre spielt und gut singen kann, lebt in einem süditalienischen
Dorf und möchte nie so werden wie sein Vater. Joschka schliesslich, der
Klarinettist aus einer jüdischen Familie in einer amerikanischen Kleinstadt,
ihm verbietet der Vater, öffentlich mit der Lieblingsschwester zusammen zu musizieren.
Alle drei sind vom selben Wunsch beseelt: weg von zu Hause – ab nach New York.
Doch dort erfüllt sich bei niemandem der Wunsch und die Hoffnung, musikalisch
Erfolg zu haben und Karriere zu machen.
Sie treffen sich schliesslich wieder in einem Restaurant, wo sie niedere Arbeit verrichten.
In der Freizeit spielen sie in Kellern und bei Anlässen Musik, Jazz Blues,
Dixie und so weiter.
In einer langen Nacht, bis in den frühen Morgen hinein, erzählen sie sich ihr
Leben, ihre Träume und Erwartungen. Das Ende, wie könnte es anders sein:
Rückkehr in die Heimat, dorthin, wo man herkommt.
EINZIGARTIG und packend die Form der Wiedergabe:
Cornelia Montani erzählt, dazu Akkordeon spielend, bricht ab, um mit dem Klarinettisten
Musik pur zu machen. Dann fährt sie weiter, singend oder in einem besonderen Sprechton,
schildert und charakterisiert, gespickt mit Einsichten, Weisheiten und emotionalen
Ausbrüchen – Bilder, Farben und Inhalte eines Tableaus, das nicht zur Ruhe
kommt, weil alles nebeneinander-, übereinander- und ineinanderfliessend daherkommt,
prall in seiner aussagekräftigen Menschlichkeit und Wahrhaftigkeit.
PAUL SCHORNO
Solothurner Zeitung |
Montag, 1. Sept. 2008 |
Genussvolle Reisen im Kopf und mit dem Herzen |
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Mit einem komödiantischen Erzähl- und Musiktheater
namens «New York einfach» lieferten die Winterthurer Künstler Cornelia Montani
und Daniel Schneider einen fulminanten Saisonauftakt beim Kulturverein Deitingen.
Cornelia Montani, noch vor kurzem mit ihrem poetisch-melancholischen Stück «Pauline»
auf Tournee und in bester Erinnerung, imaginiert diesmal eine Geschichte von menschlicher
Sehnsucht, von Fernweh und Heimweh und von drei unterschiedlichen Schicksalen.
Mit mimischen, erzählerischen und musikalischen Mitteln gelingt es ihr und ihrem Partner
Daniel Schneider, das Publikum innert kürzester Zeit hautnah in die Geschichten der drei
Hauptpersonen Marie, Angelo und Joschka zu integrieren. Marie, Ziegenhirtin zuhinterst in
einem Walliser Bergtal, gefühlvolle Handorgelspielerin mit Liebeskummer, verlässt ihre enge Heimat.
In der süditalienischen Provinz will unterdessen der Sänger und Gitarrenspieler Angelo nicht
so werden wie sein Vater, dem er zusehends mehr gleicht. Er beschliesst, sich auf die Reise
über den grossen Teich zu wagen.
Drei Personen treffen sich
Joschka schliesslich, Klarinettist in einer Klezmercombo in Oklahoma, hat ebenfalls gute
Gründe, die Provinz in Richtung New York zu verlassen. Die drei treffen sich unter der
Skyline Manhattans, werden Freunde und verbringen die Freizeit musizierend gemeinsam.
In drei Variationen zeigen nun die beiden Bühnenkünstler mögliche Fortsetzungen der Geschichte auf.
Version eins ist zu kurz und führt in ein unglaubwürdiges Happy End: Marie, Angelo und Joschka
schaffen es dank Einsatz, sich im Melting Pot durchzusetzen.
Imagination und Musikalität
Auch Version zwei gerät zu kurz, wenn auch die Handlung glaubwürdiger wirkt:
Die drei Hauptpersonen halten sich knapp über Wasser. Die gültige Version ist erst die dritte.
Hier gelingt es der einnehmenden Ausstrahlungskraft Montanis, gepaart mit dem stupenden
musikalischen Könnens Schneiders, die Zuschauer natürlich, subtil und sehr nah an die
seelischen Vorgänge des New Yorker Trios heranzuführen. Dieses macht einen Reifeprozess
durch und mit zunehmendem Heimweh entschliessen sich die drei, in ihre ursprünglichen
Dörfer heimzukehren.
Die zwingende Mimik, Gestik, Sprache und die verschiedenen Sprachen von Cornelia Montani
ermöglichen es den Anwesenden, unmittelbar am erzählten und gespielten Geschehen Anteil zu haben.
Die musikalischen Leistungen auf dem Akkordeon und der klare wunderbare Ton des Klarinetts
waren ein Genuss.
JÜRG KÜBLI
Cornelia Montani und Daniel Schneider
erzählten eine Geschichte von Fern- und Heimweh und vom Traum des
grossen Glücks in New York. Dabei verwob das Duo Schweizer
Volkslieder, italienische Canzoni, jiddischen Klezmer und Jazz.
Was ergibt die Summe aus Schweizer Volksliedern, italienischen Canzoni
und jiddischem Klezmer? Die Antwort lautet etwas überraschend, aber
dennoch einleuchtend: Jazz. Es ist der hippe Grossstadtsound
der 50er-Jahre, der von New York aus in die grosse weite Welt
hinausstrahlte und sogar Randregionen wie das Wallis, den italienischen
Stiefel oder das abgelegene Oklahoma erfasste. Dort träumten in der
"guten alten Zeit", wie es Erzählerin Cornelia Montani ausdrückte,
drei junge Menschen vom grossen Glück und vom Zauber des Jazz.
Ausbruch aus der Heimat
Die unglücklich verliebte Marie aus dem Oberwallis, die tagein,
tagaus Ziegen hütet, den Stall ausmistet und Käse herstellt, will
ebenso aus ihrer Heimat ausbrechen wie der Süditaliener Angelo, der
unter der Knute des Vaters steht und nur heimlich singen darf. Da
wäre auch noch der begabte Klarinettist Joschka aus Oklahoma, Spross
einer jüdischen Familie und Mitglied einer Klezmerband, die an jeder
Hochzeit im Umkreis von 500 Meilen auftritt. Er kommt nicht darüber
hinweg, dass seine Schwester nicht mitspielen darf, weil es um die
Bewahrung der Tradition geht. Auch er bricht, wie seine anfangs noch
unbekannten Zeitgenossen Angelo und Marie, auf, um in New York Karriere
zu machen. Klezmer will er nie mehr spielen, viel lieber schon
rebellischen Jazz; er hätte wie das Schweizer Bergbauernmädchen nichts
dagegen, eines Tages im Radio gespielt zu werden.
Wir sind mitten in der Geschichte von "New York einfach", einem
komödiantischen Erzählkonzert, das am Freitag im Loft in Kollbrunn
aufgeführt wurde. Der grosszügige und liebevoll eingerichtete Raum
einer ehemaligen Fabrik, idyllisch zwischen der Töss und dem Kanal an
der Hauptstrasse gelegen, erwies sich als ideale Stätte für dieses bewusst
reduziert gehaltene Zweipersonenstück aus der Feder von Joe S. Fenner.
Zwei Würfel - gelb und grün - bildeten die einzige Dekoration. Sie
wurden gleichzeitig als Sitzgelegenheit und als Perkussionsinstrument
benutzt. Das gab dem Publikum viel Platz, um die eigene Fantasie zu entfalten,
während die Erzählerin, Sängerin und Akkordeonistin Cornelia Montani und
Daniel Schneider an der Klarinette und am Saxofon quasi den Soundtrack
zum Erzählstrang lieferten. Das Vreneli vom Guggisberg, dicht gefolgt
vom uralten und immer wieder gern gehörten Volkslied "Stets in Truure",
untermalte Maries Schicksal ebenso mustergültig wie in schwerem neapolitanischem
vorgetragene Canzoni, die Angelos Werdegang zeigten. Handorgel und
Klarinette spielten wunderbare Klezmermelodien, die perfekt zu Joschkas
musikalischer Vergangenheit im ländlichen Oklahoma passten.
Happy End in Raten
Jazzige Ausflüge kamen in Manhattan dazu, als sich das junge Trio bei
einem schlecht bezahlten Job in einem Restaurant fand, weil sich der
Traum vom grossen Glück nicht ganz so geradlinig erfüllte, wie Montani
dem Publikum zuerst weismachen wollte. Das Happy End musste quasi in Raten
angekündigt werden, sonst wäre das Stück kurz nach der Pause schon zu Ende
gewesen. "Därfs es bitzeli meh si?", fragte die in Winterthur lebende
Erzählperson schnippisch. Es musste und durfte, und so fanden die drei
Helden als Trio Polenta doch zum etwas realistischeren Erfolg in der Stadt,
die nie stillsteht und wo das Glück selten auf dem Silbertablett serviert wird.
"New York einfach" erwies sich als musikalisch sehr vielseitige Angelegenheit
voller Poesie und einer geschickt inszenierten Dramaturgie, bei der sich Worte
und Töne bestens aufeinander abstimmten und ineinander verwoben. Das war grosse
Kleinkunst in Reinkultur, die ein grösseres Publikum verdient hätte.
ROLF WYSS
Uraufführung im ThiK
in Baden:
Cornelia Montani und Daniel Schneider spielen «New York
einfach».
Marie melkt Ziegen in einem Walliser Bergtal
und spielt nach Feierabend Handorgel. Sie hat Liebeskummer und möchte deshalb
weg von zu Hause. Dasselbe will auch Angelo. Der Süditaliener will sich nicht
mehr anhören müssen, dass er seinem Vater von Tag zu Tag mehr ähnlich sieht.
Er packt seine Gitarre und geht. Joshka lebt in
einem Provinznest in Oklahoma und spielt Klarinette in einer Klezmerband. Am liebsten spielt er aber mit seiner
Schwester. Klammheimlich, denn Musizieren ist Männersache.
MARIE, ANGELO UND JOSHKA hauen ab: Es zieht sie
dorthin, wo die Dollarnoten nur so herumfliegen und sich selbst die wildesten
Träume wie von selbst erfüllen. «New York einfach» heisst ihre Losung, denn an
ein Zurückkommen denken Marie, Angelo und Joshka
nicht einmal im Traum. Doch kaum in New York gelandet, bekommen die drei
Ausreisser unverzüglich die knallharte Realität zu spüren. Sie begegnen sich
als Tellerwäscher in einem italienischen Restaurant, beginnen miteinander zu
musizieren - eine Karriere scheint sich anzubahnen. Aber das Trio wird von
Heimweh geplagt. Was nun?
Das ultimative Happy End liefern Cornelia Montani und
Daniel Schneider dem Publikum nicht, was zum Charakter ihrer skizzenhaften
Produktion (Regie: Joe S. Fenner) passt. Cornelia
Montani und Daniel Schneider gehen in ihrem «Erzähltheater mit Musik» nämlich
ganz assoziativ vor. Zwei Hocker dienen
als Requisiten, die einerseits verschiedene Schauplätze, anderseits
Rhythmusinstrumente sein können. Mehr brauchen die Erzählerin und
Handorgelspielerin Cornelia Montani sowie der Klarinetten- und Saxofonspieler
Daniel Schneider nicht, um ein New York zu beschwören, wie es zigfach in der
Literatur und im Film Eingang gefunden hat, als Ort der Verlockungen und
Verheissungen.
Cornelia Montani und Daniel Schneider betrachten «ihr»
New York allerdings nicht mit dem Röntgenblick, sondern dem Weichzeichner.
Nicht das soziale Gefälle oder die bitteren Lebensumstände interessieren sie,
sondern ausschliesslich die Träume dreier junger Menschen unterschiedlichster
Herkunft. Das Märchenhafte feiert Triumphe. Wort und Musik durchdringen sich
dabei so sehr, dass sich das Publikum sowohl für das «Erzähltheater mit Musik»
wie für das «Konzert mit Erzählungen» erwärmt. Cornelia Montani erzählt und
musiziert; Daniel Schneider musiziert nur. Nur? Eine Untertreibung. Selbst
wenn Schneider nicht ein Wort spricht, ist er keineswegs ein stummer
sondern sogar ein äusserst beredter Partner. Er reagiert
nicht nur auf das Gesprochene, sondern agiert auch. Etwa, indem er eine Melodie
aufblühen lässt - bis zu jenem Punkt, wo sie Montani mit Worten fortsetzt. Der
Text fallt so der Musik ins Wort und umgekehrt. Dieses unentwegte Geben und
Nehmen funktioniert prächtig bei einem Duo, das sich offensichtlich blendend
versteht. Cornelia Montani gibt den extrovertierten, Daniel Schneider den
introvertierten Part. Sie variiert sprachlich und gestisch ungemein stark; er
nuanciert etwa mit einer winzigen Drehung seines Körpers oder einem raschen,
zustimmenden Blick.
DIESES UNANGESTRENGTE, spielerische Einverständnis
macht dem Publikum das Mitgehen leicht. Es fühlt sich von Montani/Schneider
gleichsam bei der Hand genommen und in Märchenwelten entführt, in der auch
nationale, ironisierte Klischees ihren Platz haben: Marie stellt Geissenkäse
her und jodelt; Angelo liebt Pasta und spielt Gitarre. Es sind gerade diese
Details, die «New York einfach» zu einer Petitesse
adeln, die für die Kunst des Märchenerzählens steht.
ELISABETH FELLER
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